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Spannbetonhohldecken für Bürobau in Berlin

Büro- und Geschäftshaus SHED 2023 Spannbetonhohldecken für Bürobau in Berlin Projektentwickler: Klingsöhr Unternehmensgruppe, Berlin Bauherr: SOL Grundbesitz GmbH & Co. KG, Berlin Tragwerksplanung: B+G Ingenieure Bollinger und Grohmann GmbH (bis LPH4), Frankfurt a.M., Engelsmann Peters GmbH (ab LPH4), Stuttgart Architekturbüro: Thomas Müller Ivan Reimann Gesellschaft von Architekten mbH mit REALACE GmbH; Berlin, LP 1 – 5, anteilig LP8 Projektleitung: IKR Ingenieurbüro für Bauwesen Kuschel GmbH, Berlin, LP 6 – 9  Bauunternehmen: ATEG GmbH, Berlin Fertigteilhersteller: Heidelberger Betonelemente GmbH & Co. KG, Chemnitz / OT Mittelbach  Produkte: 19.583 m² Spannbetondecken in verschiedenen Ausführungen Lieferzeitraum: 2021 – 2022 BGF: 33.350 m² Fertigstellung: 2023 Beim Büro- und Geschäftshaus SHED unterstützen Spannbetonhohldecken den zügigen Bauablauf. Diese können auf Grund ihrer Vorspannung und des Querschnittes bei geringerer Dicke größere Spannweiten haben. Aufgrund der Hohlräume wird 50 % weniger Material benötigt als bei einer Ortbetondecke. Damit tragen Spannbeton-Fertigdecken zur Reduzierung wertvoller Rohstoffressourcen bei. Das zukunftsgerechte Projekt der Berliner Thomas Müller Ivan Reimann Architekten ist vorzertifiziert in LEED Gold. 166 m lang, 30,3 m tief und mit sechs Geschossen 27,5 m hoch erstreckt sich das neue Büro- und Geschäftsgebäude SHED auf einem schmalen Grundstück zwischen Neuköllner Schifffahrtskanal und S-Bahntrasse. Die begehrte Wasserlage in der Sonnenallee befindet sich in nächster Nachbarschaft zum bekannten Estrel Hotel. Der Standort unweit der Berliner City ist verkehrsgünstig gelegen. Auf dem 5.600 m² großen Grundstück, genannt Sonneninsel, entstehen auf über 30.000 m² Nutzungsfläche attraktive Büros, emissionsarme Produktionsstätten und attraktive Flächen für Startups. Durch Gastronomie und Terrassen soll ab 2023 ein interessantes und pulsierendes Quartier mit einer breiten, öffentlich zugänglichen Uferzone entstehen. Noch liegen die Quadratmeterpreise hier spürbar unter den Büromieten der Top-Lagen in der Berliner City. Inzwischen hat die SRH Berlin University of Applied Sciences, eine staatlich anerkannte Hochschule, mit 13.000 m² einen großen Teil des Gebäudes gemietet, so dass der Stadtteil Neukölln nun auch Hochschulstandort wird. Nach Fertigstellung des Gebäudes können künftig 3.500 Studierende aus den Bereichen Management, Technology, Design, Music and Arts, die bislang auf verschiedene Stadtteile verteilt sind, gemeinsam an einem Standort studieren. Nachhaltige Spannbetondecken für modernen Bürobau Das Bauwerk wurde, so Falk Flade, Oberbauleiter des ausführenden Bauunternehmens BATEG, in Montagebauweise mit Verbundträgern und Spannbetonhohldecken sowie Fertigteilstützen errichtet. Die Architekten und Tragwerksplaner hatten für die weit gespannten Deckenflächen und den jeweils schräg geneigten Dachabschluss der markanten Sheddächer eine Konstruktion bestehend aus Stahlträgern und Spannbetonhohldecken konzipiert. Diese Deckenkonstruktion mit 10,85 m langen und 1,20 m breiten Platten ermöglicht einen zügigen Bauablauf ohne aufwendige Schalarbeiten. Durch die Vorspannung ergeben sich bei hohen Auflasten geringere Konstruktionshöhen. Aufgrund ihrer Hohlräume benötigen die Spannbetonhohldecken an sich schon 50 % weniger Beton als Ortbetondecken, so dass dadurch der Ressourcenverbrauch erheblich reduziert wird, ein messbarer Beitrag zum Umweltschutz und zur Nachhaltigkeit. Zur Aussteifung und für den Deckeneinbau wurde der lange, rechteckige Baukörper jeweils in 16 Achsen à 11 Meter unterteilt. Im gesamten Gebäude beträgt die Deckenstärke jeweils 30 cm. Über dem Erdgeschoss musste die Decke aufgrund der vorgesehenen, teils gewerblichen Nutzung jedoch höheren Anforderungen an den Schallschutz genügen. Aus planerischen Gründen sollte sie dennoch nur 30 cm umfassen, wie Architekt Thomas Kaubisch erläuterte, der für Müller Reimann Architekten die Ausführungsplanung und Künstlerische Oberleitung vertrat. Auf Vorschlag des Produzenten der Betonelemente ließ sich die erhöhte Anforderung bei gleicher Deckenstärke durch deren Eigenentwicklung einer Sonderdecke realisieren. Insgesamt 19.583 m² Spannbetondecken in Betongüte C45/55 hat die Heidelberger Betonelemente GmbH & Co. KG, ein Tochterunternehmen der HeidelbergCement AG mit Sitz in Chemnitz, für das Bauvorhaben geliefert. Für die spezifische Erdgeschossdecke hat das Unternehmen neben ihrem werkseitig vorgefertigten Betonelement, der Spannbetondecke VHD 300, auch Platten mit teils geschlossenen Hohlkörpern entwickelt. Diese genügen aufgrund ihres höheren Eigengewichts den schallschutztechnischen Anforderungen und tragen die ergänzende Typenbezeichnung VHD 300 6HK. „Jede zweite Röhre war bei dieser speziellen Deckenplatte nicht ausgebildet, sondern massiv“, erinnert sich Oberbauleiter Flade an den zügigen Deckenaufbau über dem Erdgeschoss. Werkseitig vorgefertigte Spannbetondecken Die Spannbetonhohldecken VHD 300 für dieses Bauvorhaben stammen aus dem Lieferwerk Roda. Dieses Hightech Bauelement, auch Spannbeton-Fertigdecke genannt, ist eine Variante des Stahlbetons mit vorgespanntem Spannstahldraht beziehungsweise Spannstahllitzen. Es wird als Serienprodukt in Strangfertigung mit einer Stranglänge von 110 m in den jeweiligen Produktionsstätten gefertigt. Je nach Deckentyp wird jede einzelne Platte entsprechend geschnitten, für das Projekt in Neukölln auf 10,85 m und entsprechend der Positionierung bezüglich Etagenhöhe und Anordnung in der Fläche gekennzeichnet. Bei den Passplatten wurden nach Vorgabe der Planer alle Längsschnitte werkseitig mit einer systemnahen Fase nachbearbeitet. In Deutschland sei die Spannbetonhohldecke eigentlich ein Nischenprodukt, meint Volker Vieth von Heidelberger Betonelemente, während die Verbunddeckenkonstruktion in anderen europäischen Ländern weiterverbreitet sei. Dies könnte sich in Hinblick auf ressourcenoptimiertes Bauen künftig ändern. Denn Nachhaltigkeit wird bei allen Bauteilen und Konstruktionen zum Thema und damit wird auch die Dimensionierung von Bauteilen und deren Materialverbrauch in die Energie- beziehungsweise CO2 -Bilanz miteinbezogen. Auch für Architekt Kaubisch war diese Deckenkonstruktion beim Projekt SHED auf der Sonneninsel neu. Unmittelbare Vorteile sieht er in der zügigen Bauausführung ohne Schalung, wie diese bei Ortbetondecken erforderlich ist. Sie erfordert allerdings eine differenzierte Planung und Ausführung. Tatsächlich verlangt eine Verbunddeckenkonstruktion eine intensive und detaillierte Werk- und Montageplanung sowie eine frühzeitige Abstimmung und Koordination bezüglich der Zulieferung der Deckenelemente. Anlieferung just in time In Neukölln erforderte die schmale Baustraße mit eingeschränkter Zufahrt und ohne Lagermöglichkeit eine anspruchsvolle Logistik. Daher wurden die angelieferten Spannbetondecken direkt vom Lkw aus mit dem Kran in die jeweilige Etage transportiert und dort parallel am Einbauort abgelegt. Als Auflager dienten spezielle, gemäß Ausführungsplanung dimensionierte Verbundträger aus Stahl von Peikko, die jeweils pro Achsabschnitt auf den Außenwänden aufliegen und dort – thermisch getrennt – auch zur späteren Befestigung der Elementfassade dienen. Dazwischen wurden, parallel zu den Außenwänden, die Hohldielen gelegt, die eng aneinandergefügt eine V-förmige Fuge ausbilden. Diese Längsfugen wurden vor Ort mit einem Bewehrungsstahl belegt, dann zusammen mit den Stoßfugen, nach Freigabe durch den Prüfstatiker, ausgegossen. Auf diese Weise funktioniert das gesamte System als statische Scheibe. Diese ermöglicht eine Deckenfläche ohne Unterzüge, da die Stahlträger in der Deckenebene liegen. So entstehen hohe, stützenfreie Räume, die dem Nutzer ein Höchstmaß an räumlicher Flexibilität bieten. An der Unterseite zeigen die Spannbetonhohldecken ihre glatte Betonstruktur. Diese wurde bewusst betonsichtig belassen,

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Nachhaltige Bauprodukte und Bauprozesse

  Unsere Position erschienen in Ausgabe 4/2022 Nachhaltige Bauprodukte und Bauprozesse Für die Zukunft des nachhaltigen Bauens müssen sowohl die Bauprodukte nachhaltig hergestellt als auch die Bauprozesse nachhaltig gestaltet werden. Nachhaltige Bauprodukte Hier punkten vorgefertigte Betonbauteile: Bei ihrer Produktion kommen ressourcenschonende und energieeffiziente Techniken zum Einsatz. Der Herstellungsprozess unterscheidet sich vielfach grundlegend von der Fertigung auf der Baustelle. So sichern die technische Ausrüstung, die weitgehend gleichbleibenden, günstigen Herstellungsbedingungen und die qualifizierten Mitarbeiter eines Fertigteilwerkes eine hohe Maßgenauigkeit der Bauteile. Die regelmäßigen Kontrollen durch Eigen- und Fremdüberwachung gewährleisten eine konstante, hohe Qualität. Der Bearbeitungsaufwand für jedes einzelne Fertigteil und damit auch mögliche Fehlerquellen reduzieren sich auf ein Minimum. Durch Vielfachnutzung der Schalung und bei Fertigung großer Serien werden Abfälle vermieden. Zudem können Restmaterialien, Betonabfälle und Verschnitte, die bei der Produktion anfallen, aufbereitet und wiederverwendet werden. Moderne Anlagentechnik und Betontechnologie auf dem neuesten Stand der Technik ermöglichen eine zuverlässige Produktqualität bei optimiertem Ressourceneinsatz. Nachhaltige Bauprozesse Vorgefertigte Betonbauteile werden zu jeder Jahreszeit witterungsunabhängig in Fertigteilwerken hergestellt. Liefertermine können so über das ganze Jahr konsequent eingehalten werden. Die Just-in-Time-Lieferung montagefertiger Bauteile spart Lagerfläche auf der Baustelle. Auch der Einsatz von Personal und energieintensiven Baumaschinen werden reduziert, die Lärm- und Staubemissionen sowohl auf der Baustelle als auch im Baustellenumfeld verringert. Die Vorfertigung von Betonbauteilen reduziert die Bauzeiten auf der Baustelle, da durch die geringe Baufeuchte der Montagebaustelle ein schnelles Weiterarbeiten der Ausbaugewerke möglich ist. So verkürzt sich die Bauzeit und das Gebäude kann schneller genutzt werden. Zusätzlich ist der Umfang der Baustelleneinrichtung beim Einsatz von Betonfertigteilen sehr gering. Wesentliche Einrichtung sind der Kran sowie die erforderlichen Absturzsicherungen. Abhängig von Umfang und Dauer der Montagearbeiten werden Hochbaukrane mit Katzausleger oder Autokrane eingesetzt. Zur Sicherung der Qualität und Minimierung von Risiken und um dabei das Thema Nachhaltigkeit nicht aus dem Auge zu verlieren, hat die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) im Jahr 2021 ein Zertifizierungssystem für die nachhaltige Baustelle entwickelt. Die Zertifizierung soll als Planungs- und Management-Tool die Baustellenprozesse unterstützen. Der Fokus liegt dabei auf Ressourcenschutz, Gesundheit und Soziales sowie auf der Kommunikation mit der lokalen Öffentlichkeit. Zurück

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Transport per Schiff

Transport per Schiff Garagen können schwimmen – „High & Heavy“ auf die Wasserstraße Die Herausforderungen rund um das Thema Transporte nehmen merklich zu. Umweltschutz, Schonung der Infrastruktur, komplizierte Genehmigungsverfahren, begleitet durch hohe Gebühren und Aufwendungen, steigende Kosten für Sprit und der Fachkräftemangel im Bereich der Lkw-Fahrer veranlassen Unternehmen dazu, nach alternativen Transportmöglichkeiten zu suchen. Ein gutes Beispiel für die Branche der Betonfertigteile ist die Firma Laumer Bautechnik GmbH aus Niederbayern, die Transporte von Betonfertiggaragen vom Lkw auf das Schiff verlagert, wo immer sinnvoll und möglich. Mitte letzten Jahres wurden 64 Fertiggaragen zugleich per Binnenschiff vom Güterverkehrszentrum (GVZ) Hafen Deggendorf in die Niederlande transportiert. Das bedeutete eine Einsparung von über 80.000 Lkw-Schwertransport-Kilometern auf der Straße. Einem der erklärten Ziele der Verkehrspolitik, schwere und übergroße Transporte weg von der Straße, hin zur Wasserstraße und damit auf das Binnenschiff zu verlagern, wurde damit im GVZ Hafen Deggendorf eindrucksvoll Rechnung getragen. Der Fertiggaragenhersteller Laumer produziert in seinen Produktionswerken Massing, Eggenfelden und Neumarkt jährlich mehr als 7.000 Fertiggaragen. Auf der Suche nach alternativen, umweltfreundlicheren Transportmöglichkeiten entstand der Kontakt zum Hafen Deggendorf. 64 der bis zu 23 t schweren Garagen wurden Mitte des Jahres 2021 im GVZ Hafen Deggendorf angeliefert und bis nach Wanssum in den Niederlanden verschifft. Der Wasserweg von Deggendorf nach Wanssum hat eine Fahrstrecke von rund 1.200 km. Als Logistikpartner vor Ort konnte die seit mehr als 20 Jahren im Hafen ansässige Donau-Hafengesellschaft (DoHaGe) gewonnen werden. In Zusammenarbeit mit der Preymesser-Gruppe, welche entlang von Donau, Main und Rhein mehrere trimodal angebundene Umschlagsstandorte betreibt und für den Schiffstransport verantwortlich ist, wurde der komplette Umschlag und Transport ab Deggendorf bis zum Zielhafen abgewickelt. „Hier kann das verkehrstechnisch zentral gelegene, trimodal angebundene Güterverkehrszentrum (GVZ) Hafen Deggendorf seine Möglichkeiten voll ausspielen“, beschreibt Werkleiter Christian Hantke das Projekt. „Durch den Transport mit nur einer Schiffsladung quer durch Deutschland werden über 80.000 Lkw-Schwertransport-km eingespart und das Straßennetz und die Umwelt massiv entlastet.“ Die Firma Laumer führte bereits mehrfach Garagen-Schwertransport auf dem Wasserweg durch und macht damit gute Erfahrungen. Zuvor wurden die Garagen als Schwertransporte nach aufwändigen Genehmigungsverfahren auf der Straße bis zu den Zielorten quer durch Europa transportiert. „Unsere Garagen sind statisch so robust konzipiert, dass Sie zweilagig übereinander im Laderaum des Schiffes transportiert werden können. Hierdurch wird die Effektivität des Transportes verdoppelt. Liegt der Kunde in der Nähe einer schiffbaren Wasserstraße werden wir auch künftig diese Transportalternative immer intensiv mit in Erwägung ziehen“, erklärt Moritz Laumer, Juniorchef der Firmengruppe. Bildrechte: © Zweckverband Donau-Hafen Zurück

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Praxedis-Gärten

Praxedis-Gärten Nachhaltiger Ersatzneubau für modernes, bezahlbares und innenstadtnahes Mietwohnen im Grünen Bauherr: Baugenossenschaft HEGAU e. G. Architekt: Architekten Lanz • Schwager Architekten BDA (Wettbewerb), architekturlokal selbach | kneer & partner freie architekten mbB (Leistungsphasen 1 bis 9) Fertigteilwerk: Hemmerlein Ingenieurbau GmbH, Bodenwöhr Fertigstellung: 2022 Ob Bestandsgebäude entweder saniert oder aber abgerissen werden und stattdessen Ersatzneubauten erstellt werden, ist im Einzelfall abzuwägen. Die Sanierung von Bestandsgebäuden ist in vielen Fällen möglich und oft deutlich ressourcenschonender als Abriss und Neubau. Andererseits kann aber auch der sogenannte „Ersatzneubau“ mit einem langlebigen, robusten und flexiblen Neubau eine nachhaltige Lösung sein, vor allem dann, wenn die vorhandene Bausubstanz marode ist und weitere Nachhaltigkeitsaspekte wie veränderte Grundrissgestaltung, energetische Sanierung, Lärmschutz und Gebäudetechnik berücksichtigt werden. Beim Wohnbauprojekt Praxedis-Gärten in Singen wurde bei der Entscheidung für einen Ersatzneubau, der anschließenden Planung, Bauausführung, Nutzung und einem eventuellen späteren Rückbau größter Wert auf nachhaltige Aspekte gelegt. Es ist ein gutes Beispiel dafür, dass sich Nachhaltigkeitsziele auf verschiedenen Ebenen und verschiedenen Interessenslagen individuell miteinander vereinbaren lassen. In der Romeiasstraße befanden sich zwei zentral gelegene, langgezogene Wohngebäude aus dem Baujahr 1936 mit 36 Arbeiterwohnungen. Bei der anstehenden Modernisierung wurde unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten zunächst geprüft, ob das Gebäude erhalten, saniert und auf den aktuellen Stand der Technik gebracht werden kann. Die marode Bausubstanz, Grundrissgestaltung und Statik ließen jedoch keine Sanierung zu. Das alte Gebäude musste daher einem neuen weichen. Das Ziel war modernes, bezahlbares, innenstadtnahes und nachhaltiges Mietwohnen im Grünen. Eine nicht alltägliche Herausforderung. Die Baugenossenschaft Hegau lobte als Bauherrin einen Architektenwettbewerb dazu aus, den das Architekturbüro Lanz • Schwager Architekten BDA gewann. Der Siegerentwurf zeichnete sich aus durch: hohe Wohn- und Lebensqualität dank beidseitiger Belichtung der Wohnungen und Orientierung jeder Wohnung sowohl zur ruhigen Gartenseite im Nord-Osten als auch nach Südwesten zur besonnten Straßenseite, hohe Aufenthaltsqualität im großzügigen Garten, flächensparendes Bauen, bei dem die Wohnfläche gegenüber dem Bestand mehr als verdoppelt wurde, größere Grünflächen durch die Planung einer Tiefgarage statt Stellplätzen im Freien, wohnflächenoptimierte Grundrisse. Planung unter nachhaltigen Gesichtspunkten Mit der Umsetzung des Entwurfes wurde das Architekturbüro architekturlokal aus Ravensburg beauftragt. Der verantwortliche Architekt Kai Feseker legte großen Wert auf Materialqualität und Gestaltung des neuen Gebäudes. Wesentliche Merkmale sind: Abschirmung des großen Gartens vom Straßenlärm durch den schlanken, dennoch massiven Baukörper aus vorgefertigten Betonbauteilen, zur Steigerung der Aufenthaltsqualität, moderne Architektur mit Gestaltung der neuen Gebäudefassade aus hochwertigen Architekturbeton-Fertigteilen, die sich an vorhandenen Gebäudefassaden in der Nachbarschaft orientiert, Wohnungen mit Balkonen, davon viele demografiegerecht barrierefrei. Mit der Kombination aus moderner architektonischer Gestaltung und praktischen Aspekten trägt das Gebäude heute zur Aufwertung des Stadtviertels bei. Ein hochwertiges Erscheinungsbild in Form einer dauerhaften Fassade, die einen geringen Unterhaltungsaufwand erfordert und mechanischen Belastungen standhält, waren ausschlaggebende Faktoren für die Wahl einer Sichtbetonfassade. Dass sich Beton recyceln lässt, war ein weiterer Aspekt für die Auswahl des Baustoffes. Die Besonderheit dieser Sichtbetonfassade besteht darin, dass zwei verschiedene Oberflächen hergestellt wurden: Schalungsglatter Sichtbeton und sandgestrahlte Betonfassadenteile, wodurch die neue Fassade mit ihren verschiedenen Oberflächen und vorspringenden Friesen Bezug auf die Gestaltung der angrenzenden Nachbarbebauung nimmt. Die Bauherrenanforderungen an das Wohngebäude mit insgesamt 73 Wohnungen gingen über die architektonischen Anforderungen weit hinaus. Sie stellten sowohl an die Planung als auch an die Ausführung große Herausforderungen und setzten damit hohe Standards, die die heutigen Bewohner:innen zu schätzen wissen. Entsprechend hoch war deshalb die Nachfrage nach den neu entstandenen Wohnungen. So wurde zum Beispiel auf Maßnahmen zur Klimaanpassung und Freiraumgestaltung bei der Planung großer Wert gelegt. Die große, vom Straßenlärm abgeschirmte Gartenfläche bietet vielfältige Möglichkeiten der Nutzung, so können Bewohner Gartenparzellen für die eigene Bewirtschaftung mieten oder Urban Gardening in Hochbeeten betreiben. Selbstverständlich kommen auch Spielflächen für Kinder nicht zu kurz. Die dadurch entstandene hohe Aufenthaltsqualität und doch zentrale Lage zeichnen die neu entstandene Wohnanlage aus. Extensiv begrünte Flachdächer leisten ihren Beitrag zur Regenrückhaltung und Klimaverbesserung. Für den Klimaschutz sorgt der optimierte Heizwärmebedarf im Passivhausstandard, die hocheffiziente Lüftungsanlage, die wärmebrückenreduzierten Anschlüsse und die Ausstattung des Gebäudedaches mit Photovoltaik. Die hochwärmegedämmte Fassade in Betonfertigteilbauweise trägt einen wesentlichen Teil zur Energieeinsparung bei. Neben der Umwelt profitieren auch die Bewohner:innen von dem guten Wohnklima zu bezahlbaren Preisen. Durch die Maßnahmen für Klimaschutz und Klimaanpassung konnten Fördermittel für die Wohnanlage abgerufen werden, die der Wirtschaftlichkeit dienen und günstige Mieten ermöglichen. Mit diesem Bauvorhaben hat die Baugenossenschaft Hegau als Bauherrin ein Wohnbauprojekt mit bezahlbaren Wohnungen in hoher Qualität zu tragbaren Kosten umgesetzt und leistet damit ihren Beitrag zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung. Nachhaltige Umsetzung mit vorgefertigten Bauteilen Nachhaltigkeit bei der Planung und Ausführung von Bauwerken bedeutet neben der Entscheidung, welche Baustoffe und Bauweisen Verwendung finden, auch, Sicherheit im Kosten- und Bauablauf zu haben. Die Entscheidung, die Praxedis-Gärten unter Verwendung von Betonfertigteilen zu errichten, bedingte, dass vor Baubeginn alle Details durchdacht werden mussten, um einen reibungslosen und möglichst störungsfreien Bauablauf zu gewährleisten. Die gesamte Planung der Fassade erfolgte in 3D in enger Abstimmung zwischen Architekten und dem Fertigteilwerk, der Hemmerlein Ingenieurbau GmbH. Vor Baubeginn erfordert dies einen größeren Planungsaufwand und eine hohe Planungskompetenz – sowohl auf Planer- als auch auf Herstellerseite. Es wurden rund 1.000 Pläne angefertigt und alle Details der Bauplanung und des Bauablaufs mit dem Rohbauunternehmer und dem Fertigteilwerk vor Baubeginn geklärt. Das Ergebnis war, dass der Zeitplan für den Rohbau zuverlässig eingehalten wurde. Dies war insoweit wesentlich, da das Gebäude an einer viel befahrenen Straße gebaut wurde und halbseitige Straßensperrungen nur für einen kurzen Zeitraum möglich waren. Insgesamt wurden 411 Fertigteile wie Fassadenelemente mit Sichtbetonoberflächen und Balkone von der Hemmerlein Ingenieurbau GmbH hergestellt und verbaut. Die Anlieferung der Fassadenteile wurde zeitlich mit dem Rohbauunternehmer abgestimmt und 82 Lieferungen erreichten rechtzeitig – entsprechend dem Baufortschritt – die Baustelle, was den Bauprozess erheblich beschleunigt und die Gerüststandzeiten geringgehalten hat. Dies war auch möglich, da die hochwertigen Betonfertigteilfassaden-Elemente aufgrund der großen Sorgfalt des Herstellers bei Lagerung, Verladung, Transport und dem Versetzen der Betonfertigteile unbeschädigt auf der Baustelle angeliefert und montiert werden konnten. Der Einbau der erforderlichen Haustechnik und der Elektroinstallationen waren bereits im Werk vorbereitet worden, was den Bauablauf zusätzlich kalkulierbarer machte. Ebenfalls waren wärmebrückenarme Montage- und Anschlussmöglichkeiten für Türen, Fenster und Schiebeläden ab Werk vorgesehen. Aufkantungen begünstigten einfache Anschlüsse

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Die Planung muss von Anfang an fertigteilgerecht erfolgen!

  Unsere Position erschienen in Ausgabe 5/2022 Die Planung muss von Anfang an fertigteilgerecht erfolgen! Durch das Bauen mit Betonfertigteilen lassen sich schwer vereinbare Maßgaben gleichzeitig verwirklichen: kurze Bauzeiten und Wirtschaftlichkeit des Projekts, Ansprüche an die Qualität von Planung und Ausführung Abstimmung der architektonischen, statisch-konstruktiven, gebäudetechnischen und bauphysikalischen Anforderungen. Grundlage hierfür ist das Verständnis für fertigteilgerechte Konstruktionen und die Beachtung fertigteilspezifischer Grundsätze, sowie eine umfassende Vorplanung. Ein wesentlicher Vorteil des Betonfertigteilbaus resultiert aus der zeitgleichen Fertigung verschiedener Bauteile und der Herstellung gleichartiger Bauteile in kurzer zeitlicher Abfolge. Optimiert wird dieser Prozess durch große Serien, von vielen Bauteilen mit identischen Abmessungen, gleicher Bewehrungsführung und gleicher Lage der Einbauteile. Herstellungsaufwand und mögliche Fehlerquellen werden dadurch minimiert, was zu einer deutlichen Reduzierung der Schalungskosten führt (siehe Bild). Der Begriff „Serie“ darf im Bauwesen nicht missverstanden werden. Die Gesamtanzahl aller gleichen beziehungsweise gleichartigen Bauteile ist selbst bei großen Baumaßnahmen im Vergleich zur Massenfertigung anderer Industriezweige gering. Der moderne Betonfertigteilbau kann heutzutage eher mit dem Prinzip ‚Klasse statt Masse’ umrissen werden und spiegelt somit die gesteigerten Anforderungen an individuell gestaltete Bauwerke wider. Die in der Planung festgelegte Form der Fertigteile und damit der Aufwand für deren Entwicklung, Schalungsherstellung und Produktion haben erhebliche Auswirkungen auf die ‚optimale’ Seriengröße. Das Entwerfen mit Betonfertigteilen erfordert die frühzeitige Zusammenarbeit von Architekt:innen und Tragwerksplaner:innen. Insbesondere müssen Aspekte der Bauphysik und der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA) zu einem möglichst frühen Zeitpunkt berücksichtigt werden, wenn sie einen maßgeblichen Einfluss auf Anordnung und Ausbildung der Tragstruktur haben. Vor Produktion der Bauteile müssen Installationsführung und erforderliche Öffnungen festgelegt sein. Darüber hinaus sollten rechtzeitig die Fachingenieur:innen der Fertigteilindustrie hinzugezogen werden. Diese sind mit dem aktuellen Stand einer wirtschaftlichen Fertigungstechnik vertraut und können die Realisierbarkeit der Entwürfe einschätzen. Der schnelle Baufortschritt mit Betonfertigteilen lässt keine Zeit für eine baubegleitende Planung. Notwendige Informationen für eine gute Planung Knotenverbindungen, Auflagerdetails, Fugen bauphysikalische und brandschutztechnische Bedürfnisse Installationsführungen und Öffnungen Herstellungsprozesse Transport- und Zufahrtswege Krankapazitäten Montageart und Montagefolge Digitale Planungsmethoden wie Building Information Modeling (BIM) gewinnen immer mehr an Bedeutung. Sie haben das Ziel, Gebäude ganzheitlich und effizient zu planen, zu errichten und zu bewirtschaften. Dabei bietet gerade die industrielle Vorfertigung von Betonbauteilen, bei der die Vernetzung zwischen Planung und Produktion mit standardisierten Schnittstellen schon lange praktiziert wird, enorme Potenziale in Hinblick auf Effizienz und Nachhaltigkeit. Ein fertigteilgerechter Entwurf muss die Besonderheiten der Bauweise von Anfang an berücksichtigen. Effiziente und flexible Abstimmungsprozesse im Projektteam, die frühe Einbeziehung der verschiedenen Fachplaner und eine abgeschlossene Planung bei Produktionsbeginn der Betonfertigteile sind hierfür unerlässlich! Fertigteilgerechter Entwurf Im Laufe der Jahrzehnte haben sich bestimmte Bauteilquerschnitte als besonders vorteilhaft und vielseitig erwiesen. Sie werden in Abwandlungen immer wieder verwendet. Doch auch typisierte Betonfertigteile sind keine Massenware, sondern „maßgeschneiderte“ Bauteile, da kein Fertigteil exakt dem anderen entspricht. Je mehr der folgenden Entwurfsgrundsätze beachtet werden, umso besser kommen die Vorteile von Betonfertigteilen, Qualität, Zeit- und Kostenersparnis, zum Tragen: Verwendung von typisierten Querschnitten und Verbindungen, gleichmäßiges Planungsraster und gleiche Geschosshöhen, möglichst viele gleiche oder ähnliche Elemente, Optimierung der Transportabmessungen und Montagegewichte. Es ist frühzeitig zu klären, ob ein Bauvorhaben komplett aus Fertigteilen hergestellt werden soll oder eine hybride Bauweise gewählt wird, bei der Teile der Konstruktion vor Ort betoniert werden. In diesem Fall muss der Schnittstelle Ortbeton-Fertigteilbau besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Zurück

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EDGE Elbside ­– Neues Wahrzeichen für Hamburg

EDGE Elbside ­– Neues Wahrzeichen für Hamburg Deutschlands höchstes Gebäude in Slim Floor-Bauweise Mit dem markanten Bürogebäude EDGE Elbside entsteht am östlichen Eingang der Hamburger HafenCity ein neues Wahrzeichen der Hansestadt. Das 18-geschossige Bürogebäude mit einer Gesamtmietfläche von rund 24.000 m² bietet Raum für circa 1.700 Arbeitsplätze. Hauptmieter wird das Energieunternehmen Vattenfall, das rund 80 % der Flächen beziehen wird. Fertigstellung ist in 2023. Innovatives Deckensystem Das EDGE ElbSide wird Deutschlands höchstes Bürogebäude in Slim Floor-Konstruktion. Dieses schlanke Tragwerk aus vorgespannten BRESPA®-Decken und Peikko DeltaBeam®-Verbundträgern ist das derzeit innovativste und ökologischste Betondeckensystem. DW Systembau lieferte für dieses Objekt rund 20.000 m² des Deckensystems. Es spart über 50 % an Beton und 75 % an Stahl und senkt deutlich den CO2-Austoß im Vergleich zu konventionellen Ortbetondecken. Zusätzlich ermöglichen die vorgespannten Deckenelemente größere Spannweiten, weniger tragende Innenbauteile und dadurch anpassungsfähigere Grundrisse. Die Skelettbauweise gewährleistet zudem einen überdurchschnittlich schnellen Baufortschritt, der durch die vorgefertigten Fassaden weiter beschleunigt wird. Behnisch Architekten gewinnt Architektenwettbewerb Den Architektenwettbewerb um das neue EDGE Elbside hat Behnisch Architekten aus Stuttgart gewonnen. Mit dem Entwurf fördert Behnisch Architekten eine moderne Arbeitswelt auf der Grundlage eines „lebenden Organismus“, der sich aus einem kommunikativen Grundriss entwickelt, sich seiner Umgebung öffnet und transparent wird. Büroflächen sind nicht als zonierte, übliche Verwaltungsbüroflächen mit Einzelbüros gedacht, sondern als differenzierte und flexible Freiflächen. Im Inneren gruppieren sich offene Treppenhäuser um eine „Hauptstraße“ – den kommunikativen Marktplatz und Herzstück des Gebäudes – und ermöglichen vertikale Verbindungen über mehrere Etagen. Individuelle Arbeits- und Begegnungsmöglichkeiten Nach außen gerichtete Wintergärten werden durch das Gebäude über mehrere Ebenen organisiert und schaffen individuelle Arbeits- und Begegnungsmöglichkeiten. Sie bieten ganzjährig loungeartige Räume und fungieren als Zwischenzonen zwischen Außen und Innen. Sie dienen auch als Orientierungspunkte und werden mit Landschaftselementen angereichert, die ein saisonal anpassungsfähiges Mikroklima bei maximaler Energieeffizienz bieten. Umweltzeichen HafenCity in Platin EDGE ElbSide strebt das Umweltzeichen HafenCity in Platin sowie das WELL Gold Core & Shell Zertifikat des International Well Building Institute (IWBI) an. Letzteres Zertifikat bewertet den allgemeinen Innovationsgrad von Gebäuden und Maßnahmen, die explizit der Gesundheit und dem Wohlbefinden der Nutzer dienen. Wissenschaftliche Begleitung durch die HafenCity Universität Hamburg DW SYSTEMBAU GmbH und Peikko Deutschland GmbH nutzen dieses spektakuläre Gebäude für eine Vergleichsstudie zwischen einem herkömmlichen Tragwerk aus Ortbeton und einer Slim Floor-Konstruktion über die ökologischen Auswirkungen beider Tragwerke. Diese Bilanzierung erfolgt über eine Zusammenarbeit mit der HafenCity Universität Hamburg unter Leitung von Prof. Dr. Klaus Liebrecht. Außerdem werden die Ausarbeitungen vom Ingenieurbüro ASSMANN BERATEN + PLANEN GmbH unterstützt, die mit den Tragwerksnachweisen beim EDGE Elbside beauftragt sind. Mit den Ergebnissen der Bilanzierung ist im Frühjahr 2022 zu rechnen, mit der Fertigstellung in 2023. Bildrechte: © EDGE Zurück

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Die Alnatura Arbeitswelt

Die Alnatura Arbeitswelt Auf dem ehemaligen Kasernengelände im Südwesten Darmstadts ist der neue Firmensitz, der Alnatura Campus, entstanden. Herzstück des 55.000 m2 großen Geländes ist die Alnatura Arbeitswelt. Sie ist europaweit das größte Bürogebäude, dessen Außenfassade aus Lehm gebaut ist. Das Gebäude bietet Platz für 500 Mitarbeiter:innen der Alnatura Arbeitsgemeinschaft. Das Projekt wurde mit viel Liebe zur Natur und auch zum Menschen entwickelt, um eine einmalige Arbeitswelt zu erschaffen. Sonnenklar bringt Alnatura dabei seinen Markenkern „Sinnvoll für Mensch und Umwelt“ auf vielfältige Weise zum Ausdruck. Betonsteine mit Recyclinggranulat für die Außengestaltung Im Außenbereich kamen auf einer Fläche von 3.500 m² die Pflastersysteme Siliton und La Strada sowie die wasserdurchlässigen Ökobeläge Hydropor La Strada und Hydropor Rasenplatte der Firma Rinn Beton- und Naturstein GmbH & Co. KG zum Einsatz. Zwei große Fertigteilstelen aus Sichtbeton dienen der Kennzeichnung der Eingänge im Rahmen der Verkehrsführung. Alle Bodenbeläge wurden mit Recyclinganteil gefertigt. Im Ergebnis wurde somit der Abbau von 260 t natürlicher Rohstoffe eingespart und bei der Herstellung rund 81 t CO2-Emissionen vermieden – damit ein rundum nachhaltiges Bauprojekt. Die eingesetzten Recyclingsteine gewährleisten überdies dieselbe hohe Herstellungs-, Verarbeitungs- und Nutzungsqualität wie herkömmliche Steine ohne Recyclinganteil und entsprechen allen relevanten DIN-Normen. Sowohl Planer:innen als auch Bauherr:innen zeigten sich vom Einsatz der Betonsteine mit Recyclinggranulat und Trittstufen aus geschliffenem Betonwerkstein begeistert. „Für die befestigten Wege und Plätze innerhalb der Außenanlage haben wir zusätzlich zu dem hier gebrochenen Material recyceltes Steinmaterial verbaut. Das Gesamtprojekt Alnatura Campus hat für seine Planung, die Art der Umsetzung und die Auswahl der verwendeten Baumaterialien vom DGNB die Zertifizierung in Platin bekommen.“, so der Bauherr Thorsten Mergel, Alnatura Darmstadt. Betonfertigteile für den Innenbereich Die 5,30 m hohen Hinweisstelen in den Zugangsbereichen sind aus glatt geschaltem Sichtbeton, die Rückseite von Hand geglättet. Einer Sonderstatik folgend wurden sie mit Gewindehülsen für den bequemen Versatz und mit einem T-Fuß zum besseren Aufstellen versehen. Der Transport wurde liegend durchgeführt. Neben Betonsteinen mit Recyclinggranulat durfte Rinn auch die Treppenläufe liefern, also die Trittstufen und Podeste. Die Stahlkonstruktion war statisch vorgegeben, für die dann die entsprechenden Fertigteile entwickelt wurden. Ziel war es, für das offene Raumkonzept eine schwebende Architektur zu bilden. „Die rundum sichtbaren Trittstufen und Podeste sind allseitig geschliffen, gefast und imprägniert. Die Unterseite ist weitestgehend porenfrei. Die Fußanker des Geländers wurden im Werk oberflächenbündig einbetoniert und die Konstruktion dann vor Ort aufgeschweißt. Auch die Gewindehülsen für die Befestigung auf den Treppenbalken waren in den Stufen schon drin. Unsere Fertigteile haben sich hier bewährt, weil es um Maßgenauigkeit ging und um den harmonischen Übergang zwischen Beton, Estrich und textilem Bodenbelag“, weiß Jens Hofmann, Technikleiter bei Rinn, zu berichten. Nachhaltig Bauen Auch Dr. Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) zeigt sich sehr zufrieden. „Ich denke, das Projekt Alnatura ist beispielgebend für den Einsatz von neuartigen Rohstoffen, aber auch für eine sehr konsequente Entwurfs- und Gestaltungsaufgabe, die dort umgesetzt wurde, wo man auch sehr starken Fokus auf die Mitarbeiter:innen gelegt hat, auf den Mehrwert, den das Gebäude auch dort am Standort bringt. Ich bin sehr stolz darauf, dass sie sich für eine DGNB Zertifizierung entschieden haben.“ Video zum Bauprojekt Alnatura Campus auf Youtube Autor: Christina Ulrich Bildrechte: © Rinn Beton- und Naturstein GmbH & Co. KG Zurück

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8 Forderungen für mehr Nachhaltigkeit am Bau

  Unsere Position erschienen in Ausgabe 2/2022 8 Forderungen für mehr Nachhaltigkeit am Bau 1. Der Grundsatz der Nachhaltigkeit muss Basis eines jeden Bauprojektes sein. Nachhaltigkeit beinhaltet die drei Säulen: Ökologie, Ökonomie und Soziales.Diese Aspekte sind bereits im Planungsstadium und über alle Lebenszyklusphasen von Gebäuden zu berücksichtigen. Bei der Ökologie der eingesetzten Materialien, Bauteile und Bauweisen ist darauf zu achten, dass sie unbedenklich, recycel- oder wiederverwendbar sind. Wertstabile Gebäude und der ökonomische Umgang mit Ressourcen wie Arbeitskraft, Materialien, Flächen usw. sind weitere Kriterien für die Nachhaltigkeit. Unter dem sozialen Aspekt soll unter anderem bezahlbarer Wohnraum und ein gesundes Wohn- und Arbeitsklima in Gebäuden geschaffen werden. Regional gewonnene Rohstoffe werden für regional produzierte Baustoffe verwendet, womit beispielsweise ein Teil der im Gebäude verbauten grauen Energie kompensiert wird. 2. Quartiere müssen multifunktional gestaltet werden. Damit Quartiere gegen äußere Einflüsse resilient sind, müssen sie möglichst viele Bereiche des Lebens der Bewohner abdecken und eine hohe Aufenthaltsqualität bieten. Ein gutes Beispiel dafür ist die Stadt der kurzen Wege, die Wohnen, Arbeiten, Klima- und Naturschutz, Freizeit und Erholung vereint. 3. Städte müssen auf Klimaresilienz überprüft werden. Der Klimawandel führt verstärkt zu Starkregen und Überflutungen, auch abseits von Flüssen. Quartiere, die Wasser aufnehmen, speichern und ableiten können, sind deutlich besser gegen Schäden durch Wetterkapriolen geschützt. Grünflächen, Regenwassernutzung und -versickerung tragen dazu bei, unsere Städte lebenswerter und klimaresilienter zu gestalten. Das Entsiegeln von befestigten Flächen, die Verwendung von versickerungsfähigem Pflaster, das Schaffen von Möglichkeiten zur Rückhaltung und Versickerung von anfallendem Regenwasser können zu einer Entlastung der Kanäle beitragen, womit eine Reduzierung des Überflutungsrisikos einhergeht. Gleichzeitig erhöhen diese Maßnahmen die Aufenthaltsqualität, fördern die Biodiversität und verbessern das Mikroklima. 4. Verfügbares Bauland muss optimal genutzt werden. Auf den Grundsatz des flächensparenden Bauens ist bei Neubauten zu achten. Unabhängig von den Bodenverhältnissen ist generell der Bau eines Kellers zur Erhöhung der Flächeneffizienz realisierbar. Dieser kann auf unterschiedlichste Art genutzt werden. Neben hochwertigen Nutzungsmöglichkeiten als Büro, Wohn- oder Freizeitraum können auch Abstellmöglichkeiten, Technikräume, Tiefgaragen etc. entstehen, ohne zusätzlichen Boden zu versiegeln. 5. Gebäude müssen klimaresilient geplant werden. Die Gebäude selbst sind abhängig vom prognostizierten Risiko für Regen, Sturzfluten, Sturm, Schneelagen usw. individuell zu schützen. Hierzu zählen unter anderem wasserdichte Keller, sichere Lichtschächte und der Einsatz von Zisternen. Darüber hinaus sind Gebäude gegen Sturm und Hagel zu sichern. Der Anstieg der globalen Temperaturen erfordert eine energieeffiziente Gebäudekühlung, zum Beispiel basierend auf Gebäude- und Dachbegrünung, Bauteilaktivierung sowie erneuerbaren Energien. 6. Grundrisse müssen variabel geplant und dadurch flexibel genutzt werden können. Für die nachhaltige Nutzung von Immobilien sind die Flexibilität und Umnutzungsfähigkeit des Tragwerkes von großer Bedeutung. Hierfür soll eine Anpassung an geänderte Nutzungsanforderungen, zum Beispiel von Gewerbe- auf Wohnnutzung, mit möglichst geringen Kosten und Ressourcenverbrauch realisierbar sein. 7. Bei Bestandsgebäuden muss eine differenzierte Abwägung zwischen Erhalt und Ersatzneubau erfolgen. Die Sanierung von Bestandsgebäuden ist in sehr vielen Fällen möglich und oft deutlich ressourcenschonender als Abriss und Neubau. Bei der Betrachtung von Bestandsgebäuden kann aber auch der sogenannte „Ersatzneubau“ mit einem langlebigen, robusten und flexiblen Neubau eine nachhaltige Lösung sein. Vor allem dann, wenn sich bei der Abwägung vom Verhältnis zwischen Ressourceneinsatz und erreichbarer Bauwerksqualität ein Neubau als günstiger erweist als Sanierung und Umbau. 8. Beim Rückbau von Gebäuden müssen die Bauteile und Baustoffe konsequent recycelt und wiederverwendet werden. Im Falle eines Rückbaus ist dieser so zu planen, zu organisieren und durchzuführen, dass möglichst alle Bauteile und Materialien getrennt werden und im Kreislauf bleiben. Dies bedeutet Ressourcenschonung: weniger Deponierung, weniger CO2-Ausstoß durch Verbrennung und weniger Bedarf von neuen Bau- und Rohstoffen. Autoren: Alice Becke und Diana Krüger Zurück

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Fertigteilgarage mit Rippenbodenplatten aus Carbon-/Textilbeton

Fertigteilgarage mit Rippenbodenplatten aus Carbon-/Textilbeton Dauerhaft und materialsparend Im Rahmen einer Produktaktualisierung wurde die Anwendung des innovativen Werkstoffs Carbon-/Textilbeton im Bereich der Bodenplatte eines Fertigteilgaragentyps erfolgreich zum Abschluss gebracht. Das eigentliche Projektziel, der Material- und damit verbundenen Gewichtseinsparung, bei Anwendung der Carbon-/Textilbetontechnologie wurde deutlich erreicht. Neben der signifikanten Materialeinsparung und der damit verbundenen Reduktion der CO2-Emissionen konnten durch zwei Prototypen auch die Wirtschaftlichkeit des neuen Garagentyps nachgewiesen werden. Vorteile des Carbon-/Textilbetons wirtschaftlich nutzen Die Firma REKERS Betonwerk GmbH & Co. KG verfolgt mit großem Interesse seit einiger Zeit die Entwicklungen im Bereich des Carbon-/Textilbetons. Erste Erfahrungen wurden dabei bereits 2003 im Rahmen eines von der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) geförderten Forschungsvorhabens mit dem neuartigen Baumaterial gesammelt „AiF-Zutech-Nr.: 91 ZBG „Entwicklung textiler Bewehrung für die Wetterschutzschicht und die Innenschicht neuartiger großformatiger selbsttragender Wand- und Leichtbauplatten hoher Dämmwirkung““. Die Vorteile des Werkstoffs Carbon-/Textilbeton wurden dabei seit längerem von der Forschung hoch angepriesen. Infolge von Materialeinsparungen können massive Betonbauteile nun schlanker ausgebildet werden. Neben der Reduzierung des Eigengewichtes, dem Verbrauch von Ressourcen und dem geringeren CO2-Ausstoß bei der Herstellung können die Bauteile infolge einer nichtrostenden Bewehrung nun auch dauerhafter umgesetzt werden. Durch diese herausragenden Eigenschaften können Fertigteilgaragen mit Carbon-/Textilbeton wirtschaftlicher geplant und umgesetzt werden. Entwicklungs- und Nachweisprozess Die im Bild gezeigte Garage wurden im Rahmen eines Industrieentwicklungsprojektes zusammen mit der CARBOCON GMBH entwickelt. Die wesentlichen Anforderungen und Randbedingungen (siehe oben) wurden zu Projektbeginn festgelegt. Des Weiteren sollte der neue Garagentyp den Qualitätsstandards der bisherigen Garagen entsprechen und trotz der geringeren Bauteilquerschnitte, durch die Anwendung einer nichtrostenden Bewehrung, ein dauerhaftes und somit nachhaltiges Produkt für den Kunden sein. Die entwickelte Fertigteilgarage wurde sowohl statisch als auch experimentell durch CARBOCON nachgewiesen. Der neue, modifizierte Garagentyp besteht aus einer Bodenplatte aus Carbon-/Textilbeton und aus weiterhin konventionell bewehrten Wänden und Decke aus Stahlbeton. Der konventionelle Garagenboden (Vollplatte) wurde in eine Rippenplatte (Rippen in Querrichtung) aufgelöst. In Garagenlängsrichtung wird ein Carbongitter der Firma solidian GmbH und der Glasfaserstab Schöck Combar® in Garagenquerrichtung als nichtrostende Bewehrungen angeordnet. Als Beton wird ein angepasster werkseigener Normbeton der Festigkeitsklasse C50/60 mit Größtkorn 8 mm eingesetzt. Als Teil einer Machbarkeitsstudie zu Beginn wurde iterativ überprüft, welche „Tragstruktur/Bauteil“ der bisherigen Garage das größte Potenzial in Bezug auf Gewichtsreduktion unter Einhaltung der statischen und vorhandenen werkstechnischen Randbedingungen besitzt. In diesem Planungsschritt stellte sich die Bodenplatte als maßgebendes Bauteil dar. Hier ließ sich rein rechnerisch eine Gewichtseinsparung von über 850 kg ermitteln. Zu diesem Zeitpunkt wurden neben den neuen Querschnittswerten auch die einzelnen Materialien für die folgenden Schritte bestimmt. So konnte schon zu Beginn mittels vereinfachter statischer Nachweise das neuentwickelte Bauteil im Anwendungsbereich „Bodenplatte“ einer Garage entsprechend der DIN EN 13978-1 Betonfertigteilgaragen nachgewiesen werden. Aufbauend auf den rechnerischen Ergebnissen erfolgten erste experimentelle Versuche zur Überprüfung der Kombinierbarkeit der gewählten Baumaterialien. Während dieser Phase wurden neben dem Planer/Entwickler auch der Gutachter (Institut für Massivbau der Technischen Universität Dresden) im Prozess integriert. Diesem wurden die ersten statischen und experimentellen Ergebnisse vorgelegt sowie auf ihre Vollständigkeit und spätere Übertragbarkeit geprüft. Im Anschluss (Anfang 2019) wurde die oberste Baubehörde in Deutschland, das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt), einbezogen. Durch die Projektbeteiligten wurde das relevante Versuchsprogramm zur experimentellen und statischen Nachweisführung der konzeptionierten Bodenplatte erarbeitet und abgestimmt. Dies beinhaltete kleinbauteilige Versuche zur Ermittlung der Eigenschaften der gewählten Bewehrungsmaterialien im Beton (unter anderem Zug- und Verbundverhalten des Bewehrungsgitters im Beton) sowie Großbauteilversuche zum Tragverhalten (unter anderem Biegung und Durchstanzen). Die experimentell nachzuweisenden Bauteile wurden im Fertigteilwerk in Groß Ammensleben hergestellt. Diese Bauteile konnten dabei bereits ohne größeren Aufwand in die Produktion integriert werden. Die Prüfungen erfolgten anschließend nach Erreichen der 28-Tagefestigkeit in Laboren der TU Dresden. Die hierbei ermittelten Ergebnisse und Erkenntnisse der neuartigen Bodenplatte wurden von allen Beteiligten als positiv beurteilt, um darauf aufbauend eine allgemein bauaufsichtliche Zulassung (abZ) / allgemeine Bauartengenehmigung (aBG) zu erwirken. Im Herbst 2021 wurden zwei Prototypen in Groß Ammensleben für einen Kunden im Raum Dresden gefertigt. Da zu diesem Zeitpunkt jedoch noch keine abZ/aBG vorlag, musste unter Einbeziehung der vorliegenden Ergebnisse zusätzlich formell noch eine Zustimmung im Einzelfall (ZiE) / vorhabenbezogene Bauartengenehmigung (vBG) bei der obersten Bauaufsichtsbehörde im Freistaat Sachsen (in dem Fall vertreten durch die nachgeordnete Landesstelle für Bautechnik) eingeholt werden. Ansonsten wäre aus baurechtlichen Gründen ein Aufstellen der Garagen in Deutschland nicht möglich gewesen. Die ZiE wurde dabei von der Behörde innerhalb weniger Wochen erteilt. Nach über 2,5 Jahren intensiver experimenteller und statischer Nachweisführung sowie der erteilten ZiE/vBG im Herbst 2021 soll nun zeitnah auch die Erteilung der abZ/aBG vom DIBt im Frühjahr 2022 für die Bodenplatte einer Fertigteilgarage aus Carbon-/Textilbeton vorliegen. Bildrechte: © Rekers Betonwerk GmbH & Co. KG Zurück

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Haus am Park

Haus am Park Integratives Wohnen für Geflüchtete Vorgefertigte Betonelemente bilden in Tübingen die prägende Außenhaut eines bemerkenswerten Wohnungsbaus. Die Vor- und Rücksprünge der Betonfassade, große Balkone und rhythmisch gesetzte Fenster schaffen innerhalb eines engen Kostenrahmens eine architektonische Qualität, von der alle Bewohner gleichermaßen profitieren. In bester Wohnlage direkt am Neckarufer planten die beiden Stuttgarter Architekturbüros Yonder und SOMAA gemeinsam ein beispielhaftes Wohnprojekt. Auf einem von der Stadt Tübingen erworbenen Grundstück ist, wie Architekt Tobias Bochmann, einer der beiden Projektverantwortlichen erläutert, ein speziell konzipierter Wohnungsbau entstanden, „in dem Menschen mit verschiedensten kulturellen, ethnischen, wirtschaftlichen und sozialen Hintergründen“ unter einem Dach leben können. Das Wohnprojekt WOLLE + steht, nach einem Konzept des Wohnsoziologen Dr. Gerd Kuhn, für „Wohnen für Alle“. Das Plus im Namen weist darauf hin, dass es dabei um mehr als nur um Wohnen geht. So bildet nun das „Haus am Park“ der Stuttgarter Architekten mit 14 unterschiedlichen Wohneinheiten den Wohnschwerpunkt, während der schräg dazu angeordnete Kubus des Tübingers Simon Maier mit dem offenen Nachbarschaftszentrum „Brückenhaus“ im Erdgeschoss auch den benachbarten Anwohnern und anderen Interessierten offensteht und damit einen Mehrwert für das gesamte Quartier schafft. Wohnungsbau mit hoher Architektur- und Aufenthaltsqualität „Der soziale Ansatz von Dr. Gerd Kuhn hinter dem Gesamtprojekt zielte darauf ab, eine aktive Teilhabe aller Bewohner zu ermöglichen und so die Integration insbesondere von Geflüchteten zu fördern“, so die verantwortliche Büropartnerin von Yonder, Katja Knaus. Bei ihrem Haus am Park übersetzten die beiden vom Entwurf bis zur Ausführung beteiligten Architekten diesen Anspruch auf die Ebene von Planung, Konstruktion und Gestaltung. In hoher Qualität gliedert sich der sozial ausgerichtete Wohnungsbau nun in die städtische Umgebung ein. Eine differenzierte und gut detaillierte Fassadenansicht fügt gestaffelte und sichtbar belassene Betonelemente neben geschosshohe Holzfenster. Attika und Sockel sind verdeckt ausgebildet. Dem formulierten Anspruch gemäß sind alle Wohnungen gleichwertig ausgestattet. Jede der unterschiedlich dimensionierten Wohneinheiten verfügt über einen zentralen Wohn-Essraum, an den ein großer Balkon anschließt; jedes der Zimmer hat bodentiefe Fenster, Fußbodenheizung und wertiges Industrieparkett. Flexible Grundrisse innerhalb der Wohneinheiten lassen sich der aktuellen Nutzung gemäß anpassen. Eine Wohnung für Geflüchtete mit bis zu sechs Zimmern kann später zu einem offenen Loft werden, die aktuellen Micro-Appartements lassen sich zu einer Studenten-WG zusammenschalten. Gemeinschaftlich genutzte Räume erweitern den privaten Bereich. Es gibt jeweils einen Abstellraum, sowie Fahrrad- und Mobilitätsraum für Kinderwägen oder bei Bedarf Rollstühlen, sowie eine gemeinsame Waschküche mit zehn Waschmaschinen. Im hellen Treppenhaus mit Fahrstuhl sind sichtbar belassene Betonwände mit Holztüren, weißen Geländern und gesprenkelten Betonwerksteinplatten, die wie ein Terrazzoboden anmuten, einladend kombiniert. Betonbau zu überschaubaren Kosten Trotz angespannter Lage am Baumarkt ließ sich der vorgegebene enge Kostenrahmen beim Projekt WOLLE + einhalten. Dafür planten die Architekten ihren Wohnungsbau als Kombination aus vorgefertigten Betonelementen und Transportbeton. Sie holten das im Betonbau versierte Bauunternehmen Rolo Bau aus Zwiefalten mit ins Boot, das den gesamten Rohbau inklusive Untergeschoss in nur sieben Monaten ausführte. Geschäftsführer Robert Vollmayer stellte mit seinen Mitarbeitern eine werkseitig vorgefertigte, doppelschalige Außenwand mit sichtbar belassener Betonfassade auf und betonierte auch die massiven Ortbetonwände als Sichtbetonwände im Innern. Diese entstanden – aus Kostengründen ohne eigens formulierte Anforderungen – in angemessener Qualität, klarem Fugenverlauf und ansprechender Oberflächenanmutung zur Zufriedenheit von Architekten und Bauherren. Die primär tragenden Bauteile, die kerngedämmten Außenwände aus Beton, wurden als Thermowände geplant. Mit einer 7, beziehungsweise 10 cm dicken Außenschale, der 18 cm dicken Dämmung, der 6 cm starken Innenschale sowie 11 cm Ortbeton erreicht die über 40 cm starke Außenwandkonstruktion einen U-Wert von 0,20 W/(m²K). Architekt Tobias Bochmann resümiert den Einsatz der Betonfertigteile: „Wir lösten die meisten bautechnischen Details bereits bei der Planung der Betonelemente. Alles ist wärmetechnisch entkoppelt, so dass keine kritischen Wärmebrücken am Gebäude entstanden sind.“ Prägnante Betonfassade Die Architekten nutzten die vorgefertigten Betonbauteile nicht nur für den konstruktiven Aufbau. Vielmehr setzten sie die bis zu 6,50 m langen und bis zu 3,64 m hohen Elemente in einem gleichmäßigen 120er Raster zusammen und schufen eine charakteristische Ansicht, die mit Abstufungen und klar definiertem Fugenverlauf ein prägnantes Fassadenrelief bildet. Für diesen Effekt wurden die Außenschalen der Thermowände unterschiedlich stark ausgeführt, teils alternieren bei großen Elementen zwei verschiedene Stärken. Am regelmäßigen Vor- und Zurückspringen der gleichförmigen Betonformate und dem geschossweisen Versatz in der Fassade zeigt sich deren elementare Stellung in der Tektonik des Gebäudes. Durch die formale Betonung der Gliederung ist die Außenwand gleichermaßen Bestandteil von Konstruktion und Bekleidung. Rhythmisch gesetzte, bodenhohe Fenster fügen sich in das Rastermaß ein. Eine vorgefertigte Betonaufkantung unterstützte die verdeckte Ausbildung von Sockel und Attika. Entsprechend sind auch die äußeren Betonschalen für das obere und untere Geschoss werkseitig länger als die jeweils innere Wandschale, so dass sie Attika und Sockel am Hochparterre in einem Guss bekleiden. Als weiteres Detail wurden auch die äußeren Fensterlaibungen bis auf die untere Fensterbank bereits in den Fertigteilen integriert. Deren genauen Maße waren präzise vorgegeben, so ergaben sich beim Aufbau geringe Rohbautoleranzen. Insgesamt ist die Größe solcher vorgefertigten Betonelemente nur durch ihren Transport begrenzt. Die meisten der weit auskragenden Balkone weisen nach Süden und erweitern den Wohnraum um 2,50 m großzügig ins Freie. Ihre massiven Bodenplatten sind, thermisch getrennt, mit Isokörben an der Ortbetondecke einbetoniert. Weißes, gelochtes Wellblech dient als schlanke Brüstung, von innen ist sie transparent. Von außen wirkt sie geschlossen und bietet ausreichend Privatsphäre. Durchdachte Planung und Konstruktion Vor Ort wurden die vorgefertigten, doppelschaligen Wandscheiben mittels Schrägstützen geschossweise aufgestellt, mit Kernbeton ausgegossen und durch die Anschlussbewehrung der Deckenkonstruktion mit dieser statisch verbunden. Die massiven Wohnungstrennwände und Decken entstanden dagegen komplett aus konventionell mit Kran und Kübel in die Schalung eingebrachtem Transportbeton. Weitere Innenwände wurden, um in den Wohneinheiten mit variablen Grundrissen auf spätere Nutzungsänderungen reagieren zu können, als Trockenbau ausgeführt. Der Keller des direkt am Neckar stehenden Gebäudes erhielt eine wasserundurchlässige weiße Wanne. Alle Elektroinstallationen konnten vorab eingebaut werden. Dafür waren im Fertigteilwerk bereits Leerrohre eingelegt und Dosen in die Schalung gesetzt worden. Heizungs- und Sanitärinstallationen verlaufen nicht in den Fertigteilwänden. In wenigen Ausnahmen sah man dafür Schlitze und Aussparungen vor, die nachträglich bauseits geschlossen wurden. Aufgrund der sehr hohen Schallschutzanforderungen waren spezielle Leibungslüfter erforderlich. Die dafür nötigen Aussparungen waren ebenfalls bereits werksseitig

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