Praxedis-Gärten

Nachhaltiger Ersatzneubau für modernes, bezahlbares und innenstadtnahes Mietwohnen im Grünen

Bauherr: Baugenossenschaft HEGAU e. G.


Architekt: Architekten Lanz • Schwager Architekten BDA (Wettbewerb), architekturlokal selbach | kneer & partner freie architekten mbB (Leistungsphasen 1 bis 9)


Fertigteilwerk: Hemmerlein Ingenieurbau GmbH, Bodenwöhr


Fertigstellung: 2022

Ob Bestandsgebäude entweder saniert oder aber abgerissen werden und stattdessen Ersatzneubauten erstellt werden, ist im Einzelfall abzuwägen. Die Sanierung von Bestandsgebäuden ist in vielen Fällen möglich und oft deutlich ressourcenschonender als Abriss und Neubau. Andererseits kann aber auch der sogenannte „Ersatzneubau“ mit einem langlebigen, robusten und flexiblen Neubau eine nachhaltige Lösung sein, vor allem dann, wenn die vorhandene Bausubstanz marode ist und weitere Nachhaltigkeitsaspekte wie veränderte Grundrissgestaltung, energetische Sanierung, Lärmschutz und Gebäudetechnik berücksichtigt werden.

Beim Wohnbauprojekt Praxedis-Gärten in Singen wurde bei der Entscheidung für einen Ersatzneubau, der anschließenden Planung, Bauausführung, Nutzung und einem eventuellen späteren Rückbau größter Wert auf nachhaltige Aspekte gelegt. Es ist ein gutes Beispiel dafür, dass sich Nachhaltigkeitsziele auf verschiedenen Ebenen und verschiedenen Interessenslagen individuell miteinander vereinbaren lassen.

In der Romeiasstraße befanden sich zwei zentral gelegene, langgezogene Wohngebäude aus dem Baujahr 1936 mit 36 Arbeiterwohnungen. Bei der anstehenden Modernisierung wurde unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten zunächst geprüft, ob das Gebäude erhalten, saniert und auf den aktuellen Stand der Technik gebracht werden kann. Die marode Bausubstanz, Grundrissgestaltung und Statik ließen jedoch keine Sanierung zu.

Das alte Gebäude musste daher einem neuen weichen. Das Ziel war modernes, bezahlbares, innenstadtnahes und nachhaltiges Mietwohnen im Grünen. Eine nicht alltägliche Herausforderung. Die Baugenossenschaft Hegau lobte als Bauherrin einen Architektenwettbewerb dazu aus, den das Architekturbüro Lanz • Schwager Architekten BDA gewann. Der Siegerentwurf zeichnete sich aus durch:

  • hohe Wohn- und Lebensqualität dank beidseitiger Belichtung der Wohnungen und Orientierung jeder Wohnung sowohl zur ruhigen Gartenseite im Nord-Osten als auch nach Südwesten zur besonnten Straßenseite,
  • hohe Aufenthaltsqualität im großzügigen Garten,
  • flächensparendes Bauen, bei dem die Wohnfläche gegenüber dem Bestand mehr als verdoppelt wurde,
  • größere Grünflächen durch die Planung einer Tiefgarage statt Stellplätzen im Freien,
  • wohnflächenoptimierte Grundrisse.

Planung unter nachhaltigen Gesichtspunkten


Mit der Umsetzung des Entwurfes wurde das Architekturbüro architekturlokal aus Ravensburg beauftragt. Der verantwortliche Architekt Kai Feseker legte großen Wert auf Materialqualität und Gestaltung des neuen Gebäudes. Wesentliche Merkmale sind:

  • Abschirmung des großen Gartens vom Straßenlärm durch den schlanken, dennoch massiven Baukörper aus vorgefertigten Betonbauteilen, zur Steigerung der Aufenthaltsqualität,
  • moderne Architektur mit Gestaltung der neuen Gebäudefassade aus hochwertigen Architekturbeton-Fertigteilen, die sich an vorhandenen Gebäudefassaden in der Nachbarschaft orientiert,
  • Wohnungen mit Balkonen, davon viele demografiegerecht barrierefrei.

Mit der Kombination aus moderner architektonischer Gestaltung und praktischen Aspekten trägt das Gebäude heute zur Aufwertung des Stadtviertels bei. Ein hochwertiges Erscheinungsbild in Form einer dauerhaften Fassade, die einen geringen Unterhaltungsaufwand erfordert und mechanischen Belastungen standhält, waren ausschlaggebende Faktoren für die Wahl einer Sichtbetonfassade. Dass sich Beton recyceln lässt, war ein weiterer Aspekt für die Auswahl des Baustoffes. Die Besonderheit dieser Sichtbetonfassade besteht darin, dass zwei verschiedene Oberflächen hergestellt wurden: Schalungsglatter Sichtbeton und sandgestrahlte Betonfassadenteile, wodurch die neue Fassade mit ihren verschiedenen Oberflächen und vorspringenden Friesen Bezug auf die Gestaltung der angrenzenden Nachbarbebauung nimmt.

Die Bauherrenanforderungen an das Wohngebäude mit insgesamt 73 Wohnungen gingen über die architektonischen Anforderungen weit hinaus. Sie stellten sowohl an die Planung als auch an die Ausführung große Herausforderungen und setzten damit hohe Standards, die die heutigen Bewohner:innen zu schätzen wissen. Entsprechend hoch war deshalb die Nachfrage nach den neu entstandenen Wohnungen. So wurde zum Beispiel auf Maßnahmen zur Klimaanpassung und Freiraumgestaltung bei der Planung großer Wert gelegt. Die große, vom Straßenlärm abgeschirmte Gartenfläche bietet vielfältige Möglichkeiten der Nutzung, so können Bewohner Gartenparzellen für die eigene Bewirtschaftung mieten oder Urban Gardening in Hochbeeten betreiben. Selbstverständlich kommen auch Spielflächen für Kinder nicht zu kurz. Die dadurch entstandene hohe Aufenthaltsqualität und doch zentrale Lage zeichnen die neu entstandene Wohnanlage aus. Extensiv begrünte Flachdächer leisten ihren Beitrag zur Regenrückhaltung und Klimaverbesserung. Für den Klimaschutz sorgt der optimierte Heizwärmebedarf im Passivhausstandard, die hocheffiziente Lüftungsanlage, die wärmebrückenreduzierten Anschlüsse und die Ausstattung des Gebäudedaches mit Photovoltaik. Die hochwärmegedämmte Fassade in Betonfertigteilbauweise trägt einen wesentlichen Teil zur Energieeinsparung bei. Neben der Umwelt profitieren auch die Bewohner:innen von dem guten Wohnklima zu bezahlbaren Preisen. Durch die Maßnahmen für Klimaschutz und Klimaanpassung konnten Fördermittel für die Wohnanlage abgerufen werden, die der Wirtschaftlichkeit dienen und günstige Mieten ermöglichen.

Mit diesem Bauvorhaben hat die Baugenossenschaft Hegau als Bauherrin ein Wohnbauprojekt mit bezahlbaren Wohnungen in hoher Qualität zu tragbaren Kosten umgesetzt und leistet damit ihren Beitrag zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung.

Nachhaltige Umsetzung mit vorgefertigten Bauteilen


Nachhaltigkeit bei der Planung und Ausführung von Bauwerken bedeutet neben der Entscheidung, welche Baustoffe und Bauweisen Verwendung finden, auch, Sicherheit im Kosten- und Bauablauf zu haben. Die Entscheidung, die Praxedis-Gärten unter Verwendung von Betonfertigteilen zu errichten, bedingte, dass vor Baubeginn alle Details durchdacht werden mussten, um einen reibungslosen und möglichst störungsfreien Bauablauf zu gewährleisten. Die gesamte Planung der Fassade erfolgte in 3D in enger Abstimmung zwischen Architekten und dem Fertigteilwerk, der Hemmerlein Ingenieurbau GmbH. Vor Baubeginn erfordert dies einen größeren Planungsaufwand und eine hohe Planungskompetenz – sowohl auf Planer- als auch auf Herstellerseite. Es wurden rund 1.000 Pläne angefertigt und alle Details der Bauplanung und des Bauablaufs mit dem Rohbauunternehmer und dem Fertigteilwerk vor Baubeginn geklärt. Das Ergebnis war, dass der Zeitplan für den Rohbau zuverlässig eingehalten wurde. Dies war insoweit wesentlich, da das Gebäude an einer viel befahrenen Straße gebaut wurde und halbseitige Straßensperrungen nur für einen kurzen Zeitraum möglich waren.

Insgesamt wurden 411 Fertigteile wie Fassadenelemente mit Sichtbetonoberflächen und Balkone von der Hemmerlein Ingenieurbau GmbH hergestellt und verbaut. Die Anlieferung der Fassadenteile wurde zeitlich mit dem Rohbauunternehmer abgestimmt und 82 Lieferungen erreichten rechtzeitig – entsprechend dem Baufortschritt – die Baustelle, was den Bauprozess erheblich beschleunigt und die Gerüststandzeiten geringgehalten hat. Dies war auch möglich, da die hochwertigen Betonfertigteilfassaden-Elemente aufgrund der großen Sorgfalt des Herstellers bei Lagerung, Verladung, Transport und dem Versetzen der Betonfertigteile unbeschädigt auf der Baustelle angeliefert und montiert werden konnten.

Der Einbau der erforderlichen Haustechnik und der Elektroinstallationen waren bereits im Werk vorbereitet worden, was den Bauablauf zusätzlich kalkulierbarer machte. Ebenfalls waren wärmebrückenarme Montage- und Anschlussmöglichkeiten für Türen, Fenster und Schiebeläden ab Werk vorgesehen. Aufkantungen begünstigten einfache Anschlüsse von Betondecken und Abdichtungen. Durch präzise Fertigung in geschützten Hallen unter gleichbleibenden Bedingungen, Ausführung durch Fachkräfte, Eigen- und Fremdüberwachung während der Produktion wird die hohe und gleichbleibende Qualität der Betonfertigteile gewährleistet, ein wesentlicher Faktor für die Dauerhaftigkeit und damit Nachhaltigkeit eines Gebäudes.

Als weiterer Erfolgsfaktor ist bei diesem Projekt die funktionierende und vorbildliche Kommunikation zwischen allen am Projekt Beteiligten hervorzuheben. Sie stellte die Qualität in der Planung und Bauausführung sicher. Der Entwurf der neuen DIN 1045 – Teil 1000 mit dem „Betonbauqualität-Konzept“ hat diesen wichtigen Aspekt erkannt und in den neuen Normentwurf aufgenommen.

Bildrechte: © Baugenossenschaft Hegau

Nach oben scrollen