Büro- und Geschäftshaus SHED 2023
Spannbetonhohldecken für Bürobau in Berlin



Projektentwickler: Klingsöhr Unternehmensgruppe, Berlin
Bauherr: SOL Grundbesitz GmbH & Co. KG, Berlin
Tragwerksplanung: B+G Ingenieure Bollinger und Grohmann GmbH (bis LPH4), Frankfurt a.M., Engelsmann Peters GmbH (ab LPH4), Stuttgart
Architekturbüro: Thomas Müller Ivan Reimann Gesellschaft von Architekten mbH mit REALACE GmbH; Berlin, LP 1 – 5, anteilig LP8
Projektleitung: IKR Ingenieurbüro für Bauwesen Kuschel GmbH, Berlin, LP 6 – 9
Bauunternehmen: ATEG GmbH, Berlin
Fertigteilhersteller: Heidelberger Betonelemente GmbH & Co. KG, Chemnitz / OT Mittelbach
Produkte: 19.583 m² Spannbetondecken in verschiedenen Ausführungen
Lieferzeitraum: 2021 – 2022
BGF: 33.350 m²
Fertigstellung: 2023
Beim Büro- und Geschäftshaus SHED unterstützen Spannbetonhohldecken den zügigen Bauablauf. Diese können auf Grund ihrer Vorspannung und des Querschnittes bei geringerer Dicke größere Spannweiten haben. Aufgrund der Hohlräume wird 50 % weniger Material benötigt als bei einer Ortbetondecke. Damit tragen Spannbeton-Fertigdecken zur Reduzierung wertvoller Rohstoffressourcen bei. Das zukunftsgerechte Projekt der Berliner Thomas Müller Ivan Reimann Architekten ist vorzertifiziert in LEED Gold.
166 m lang, 30,3 m tief und mit sechs Geschossen 27,5 m hoch erstreckt sich das neue Büro- und Geschäftsgebäude SHED auf einem schmalen Grundstück zwischen Neuköllner Schifffahrtskanal und S-Bahntrasse. Die begehrte Wasserlage in der Sonnenallee befindet sich in nächster Nachbarschaft zum bekannten Estrel Hotel. Der Standort unweit der Berliner City ist verkehrsgünstig gelegen. Auf dem 5.600 m² großen Grundstück, genannt Sonneninsel, entstehen auf über 30.000 m² Nutzungsfläche attraktive Büros, emissionsarme Produktionsstätten und attraktive Flächen für Startups. Durch Gastronomie und Terrassen soll ab 2023 ein interessantes und pulsierendes Quartier mit einer breiten, öffentlich zugänglichen Uferzone entstehen. Noch liegen die Quadratmeterpreise hier spürbar unter den Büromieten der Top-Lagen in der Berliner City. Inzwischen hat die SRH Berlin University of Applied Sciences, eine staatlich anerkannte Hochschule, mit 13.000 m² einen großen Teil des Gebäudes gemietet, so dass der Stadtteil Neukölln nun auch Hochschulstandort wird. Nach Fertigstellung des Gebäudes können künftig 3.500 Studierende aus den Bereichen Management, Technology, Design, Music and Arts, die bislang auf verschiedene Stadtteile verteilt sind, gemeinsam an einem Standort studieren.
Nachhaltige Spannbetondecken für modernen Bürobau
Das Bauwerk wurde, so Falk Flade, Oberbauleiter des ausführenden Bauunternehmens BATEG, in Montagebauweise mit Verbundträgern und Spannbetonhohldecken sowie Fertigteilstützen errichtet. Die Architekten und Tragwerksplaner hatten für die weit gespannten Deckenflächen und den jeweils schräg geneigten Dachabschluss der markanten Sheddächer eine Konstruktion bestehend aus Stahlträgern und Spannbetonhohldecken konzipiert. Diese Deckenkonstruktion mit 10,85 m langen und 1,20 m breiten Platten ermöglicht einen zügigen Bauablauf ohne aufwendige Schalarbeiten. Durch die Vorspannung ergeben sich bei hohen Auflasten geringere Konstruktionshöhen. Aufgrund ihrer Hohlräume benötigen die Spannbetonhohldecken an sich schon 50 % weniger Beton als Ortbetondecken, so dass dadurch der Ressourcenverbrauch erheblich reduziert wird, ein messbarer Beitrag zum Umweltschutz und zur Nachhaltigkeit.
Zur Aussteifung und für den Deckeneinbau wurde der lange, rechteckige Baukörper jeweils in 16 Achsen à 11 Meter unterteilt. Im gesamten Gebäude beträgt die Deckenstärke jeweils 30 cm. Über dem Erdgeschoss musste die Decke aufgrund der vorgesehenen, teils gewerblichen Nutzung jedoch höheren Anforderungen an den Schallschutz genügen. Aus planerischen Gründen sollte sie dennoch nur 30 cm umfassen, wie Architekt Thomas Kaubisch erläuterte, der für Müller Reimann Architekten die Ausführungsplanung und Künstlerische Oberleitung vertrat. Auf Vorschlag des Produzenten der Betonelemente ließ sich die erhöhte Anforderung bei gleicher Deckenstärke durch deren Eigenentwicklung einer Sonderdecke realisieren. Insgesamt 19.583 m² Spannbetondecken in Betongüte C45/55 hat die Heidelberger Betonelemente GmbH & Co. KG, ein Tochterunternehmen der HeidelbergCement AG mit Sitz in Chemnitz, für das Bauvorhaben geliefert. Für die spezifische Erdgeschossdecke hat das Unternehmen neben ihrem werkseitig vorgefertigten Betonelement, der Spannbetondecke VHD 300, auch Platten mit teils geschlossenen Hohlkörpern entwickelt. Diese genügen aufgrund ihres höheren Eigengewichts den schallschutztechnischen Anforderungen und tragen die ergänzende Typenbezeichnung VHD 300 6HK. „Jede zweite Röhre war bei dieser speziellen Deckenplatte nicht ausgebildet, sondern massiv“, erinnert sich Oberbauleiter Flade an den zügigen Deckenaufbau über dem Erdgeschoss.
Werkseitig vorgefertigte Spannbetondecken
Die Spannbetonhohldecken VHD 300 für dieses Bauvorhaben stammen aus dem Lieferwerk Roda. Dieses Hightech Bauelement, auch Spannbeton-Fertigdecke genannt, ist eine Variante des Stahlbetons mit vorgespanntem Spannstahldraht beziehungsweise Spannstahllitzen. Es wird als Serienprodukt in Strangfertigung mit einer Stranglänge von 110 m in den jeweiligen Produktionsstätten gefertigt. Je nach Deckentyp wird jede einzelne Platte entsprechend geschnitten, für das Projekt in Neukölln auf 10,85 m und entsprechend der Positionierung bezüglich Etagenhöhe und Anordnung in der Fläche gekennzeichnet. Bei den Passplatten wurden nach Vorgabe der Planer alle Längsschnitte werkseitig mit einer systemnahen Fase nachbearbeitet.
In Deutschland sei die Spannbetonhohldecke eigentlich ein Nischenprodukt, meint Volker Vieth von Heidelberger Betonelemente, während die Verbunddeckenkonstruktion in anderen europäischen Ländern weiterverbreitet sei. Dies könnte sich in Hinblick auf ressourcenoptimiertes Bauen künftig ändern. Denn Nachhaltigkeit wird bei allen Bauteilen und Konstruktionen zum Thema und damit wird auch die Dimensionierung von Bauteilen und deren Materialverbrauch in die Energie- beziehungsweise CO2 -Bilanz miteinbezogen. Auch für Architekt Kaubisch war diese Deckenkonstruktion beim Projekt SHED auf der Sonneninsel neu. Unmittelbare Vorteile sieht er in der zügigen Bauausführung ohne Schalung, wie diese bei Ortbetondecken erforderlich ist. Sie erfordert allerdings eine differenzierte Planung und Ausführung. Tatsächlich verlangt eine Verbunddeckenkonstruktion eine intensive und detaillierte Werk- und Montageplanung sowie eine frühzeitige Abstimmung und Koordination bezüglich der Zulieferung der Deckenelemente.
Anlieferung just in time
In Neukölln erforderte die schmale Baustraße mit eingeschränkter Zufahrt und ohne Lagermöglichkeit eine anspruchsvolle Logistik. Daher wurden die angelieferten Spannbetondecken direkt vom Lkw aus mit dem Kran in die jeweilige Etage transportiert und dort parallel am Einbauort abgelegt. Als Auflager dienten spezielle, gemäß Ausführungsplanung dimensionierte Verbundträger aus Stahl von Peikko, die jeweils pro Achsabschnitt auf den Außenwänden aufliegen und dort – thermisch getrennt – auch zur späteren Befestigung der Elementfassade dienen. Dazwischen wurden, parallel zu den Außenwänden, die Hohldielen gelegt, die eng aneinandergefügt eine V-förmige Fuge ausbilden. Diese Längsfugen wurden vor Ort mit einem Bewehrungsstahl belegt, dann zusammen mit den Stoßfugen, nach Freigabe durch den Prüfstatiker, ausgegossen. Auf diese Weise funktioniert das gesamte System als statische Scheibe. Diese ermöglicht eine Deckenfläche ohne Unterzüge, da die Stahlträger in der Deckenebene liegen. So entstehen hohe, stützenfreie Räume, die dem Nutzer ein Höchstmaß an räumlicher Flexibilität bieten. An der Unterseite zeigen die Spannbetonhohldecken ihre glatte Betonstruktur. Diese wurde bewusst betonsichtig belassen, die Deckenansicht ist nur teilweise durch eine abgehangene Kühldecke verdeckt.
Im Bauablauf wurden jeweils ein bis zwei Achsen per Kran mit den Betonfertigteilen bestückt und dann abschnittsweise ausbetoniert. Pro Achse erforderte dies, laut Oberbauleiter Flade, einen Zeitaufwand von rund sechs bis acht Stunden. Insgesamt sind auf diese Weise rund 2.000 Spannbetonhohlplatten zwischen rund 400 Verbundträgern verbaut worden.
Als herausragende Besonderheit betrachten Architekt Thomas Kaubisch und Oberbauleiter Falk Flade gleichermaßen den schrägen Einbau der Deckenelemente an der das Dach abschließenden Shedkonstruktion. In der rechtwinkligen Dreiecksform des Sheds, mit senkrechter Glasfläche liegen hier die Deckenelemente im 18-Gradwinkel quasi als Hypotenuse auf. Entsprechend länger wurden sie werkseitig gefertigt. Mit dieser Konstruktion führen die Architekten Tageslicht in den Innenraum und geben dem Bürobau auf der Sonneninsel gleichzeitig seine charakteristische Gestalt.
Bildrechte: © Klingsöhr Unternehmensgruppe
Bildrechte: © Mareike Albers, BATEG