Haus am Park Integratives Wohnen für Geflüchtete Vorgefertigte Betonelemente bilden in Tübingen die prägende Außenhaut eines bemerkenswerten Wohnungsbaus. Die Vor- und Rücksprünge der Betonfassade, große Balkone und rhythmisch gesetzte Fenster schaffen innerhalb eines engen Kostenrahmens eine architektonische Qualität, von der alle Bewohner gleichermaßen profitieren. In bester Wohnlage direkt am Neckarufer planten die beiden Stuttgarter Architekturbüros Yonder und SOMAA gemeinsam ein beispielhaftes Wohnprojekt. Auf einem von der Stadt Tübingen erworbenen Grundstück ist, wie Architekt Tobias Bochmann, einer der beiden Projektverantwortlichen erläutert, ein speziell konzipierter Wohnungsbau entstanden, „in dem Menschen mit verschiedensten kulturellen, ethnischen, wirtschaftlichen und sozialen Hintergründen“ unter einem Dach leben können. Das Wohnprojekt WOLLE + steht, nach einem Konzept des Wohnsoziologen Dr. Gerd Kuhn, für „Wohnen für Alle“. Das Plus im Namen weist darauf hin, dass es dabei um mehr als nur um Wohnen geht. So bildet nun das „Haus am Park“ der Stuttgarter Architekten mit 14 unterschiedlichen Wohneinheiten den Wohnschwerpunkt, während der schräg dazu angeordnete Kubus des Tübingers Simon Maier mit dem offenen Nachbarschaftszentrum „Brückenhaus“ im Erdgeschoss auch den benachbarten Anwohnern und anderen Interessierten offensteht und damit einen Mehrwert für das gesamte Quartier schafft. Wohnungsbau mit hoher Architektur- und Aufenthaltsqualität „Der soziale Ansatz von Dr. Gerd Kuhn hinter dem Gesamtprojekt zielte darauf ab, eine aktive Teilhabe aller Bewohner zu ermöglichen und so die Integration insbesondere von Geflüchteten zu fördern“, so die verantwortliche Büropartnerin von Yonder, Katja Knaus. Bei ihrem Haus am Park übersetzten die beiden vom Entwurf bis zur Ausführung beteiligten Architekten diesen Anspruch auf die Ebene von Planung, Konstruktion und Gestaltung. In hoher Qualität gliedert sich der sozial ausgerichtete Wohnungsbau nun in die städtische Umgebung ein. Eine differenzierte und gut detaillierte Fassadenansicht fügt gestaffelte und sichtbar belassene Betonelemente neben geschosshohe Holzfenster. Attika und Sockel sind verdeckt ausgebildet. Dem formulierten Anspruch gemäß sind alle Wohnungen gleichwertig ausgestattet. Jede der unterschiedlich dimensionierten Wohneinheiten verfügt über einen zentralen Wohn-Essraum, an den ein großer Balkon anschließt; jedes der Zimmer hat bodentiefe Fenster, Fußbodenheizung und wertiges Industrieparkett. Flexible Grundrisse innerhalb der Wohneinheiten lassen sich der aktuellen Nutzung gemäß anpassen. Eine Wohnung für Geflüchtete mit bis zu sechs Zimmern kann später zu einem offenen Loft werden, die aktuellen Micro-Appartements lassen sich zu einer Studenten-WG zusammenschalten. Gemeinschaftlich genutzte Räume erweitern den privaten Bereich. Es gibt jeweils einen Abstellraum, sowie Fahrrad- und Mobilitätsraum für Kinderwägen oder bei Bedarf Rollstühlen, sowie eine gemeinsame Waschküche mit zehn Waschmaschinen. Im hellen Treppenhaus mit Fahrstuhl sind sichtbar belassene Betonwände mit Holztüren, weißen Geländern und gesprenkelten Betonwerksteinplatten, die wie ein Terrazzoboden anmuten, einladend kombiniert. Betonbau zu überschaubaren Kosten Trotz angespannter Lage am Baumarkt ließ sich der vorgegebene enge Kostenrahmen beim Projekt WOLLE + einhalten. Dafür planten die Architekten ihren Wohnungsbau als Kombination aus vorgefertigten Betonelementen und Transportbeton. Sie holten das im Betonbau versierte Bauunternehmen Rolo Bau aus Zwiefalten mit ins Boot, das den gesamten Rohbau inklusive Untergeschoss in nur sieben Monaten ausführte. Geschäftsführer Robert Vollmayer stellte mit seinen Mitarbeitern eine werkseitig vorgefertigte, doppelschalige Außenwand mit sichtbar belassener Betonfassade auf und betonierte auch die massiven Ortbetonwände als Sichtbetonwände im Innern. Diese entstanden – aus Kostengründen ohne eigens formulierte Anforderungen – in angemessener Qualität, klarem Fugenverlauf und ansprechender Oberflächenanmutung zur Zufriedenheit von Architekten und Bauherren. Die primär tragenden Bauteile, die kerngedämmten Außenwände aus Beton, wurden als Thermowände geplant. Mit einer 7, beziehungsweise 10 cm dicken Außenschale, der 18 cm dicken Dämmung, der 6 cm starken Innenschale sowie 11 cm Ortbeton erreicht die über 40 cm starke Außenwandkonstruktion einen U-Wert von 0,20 W/(m²K). Architekt Tobias Bochmann resümiert den Einsatz der Betonfertigteile: „Wir lösten die meisten bautechnischen Details bereits bei der Planung der Betonelemente. Alles ist wärmetechnisch entkoppelt, so dass keine kritischen Wärmebrücken am Gebäude entstanden sind.“ Prägnante Betonfassade Die Architekten nutzten die vorgefertigten Betonbauteile nicht nur für den konstruktiven Aufbau. Vielmehr setzten sie die bis zu 6,50 m langen und bis zu 3,64 m hohen Elemente in einem gleichmäßigen 120er Raster zusammen und schufen eine charakteristische Ansicht, die mit Abstufungen und klar definiertem Fugenverlauf ein prägnantes Fassadenrelief bildet. Für diesen Effekt wurden die Außenschalen der Thermowände unterschiedlich stark ausgeführt, teils alternieren bei großen Elementen zwei verschiedene Stärken. Am regelmäßigen Vor- und Zurückspringen der gleichförmigen Betonformate und dem geschossweisen Versatz in der Fassade zeigt sich deren elementare Stellung in der Tektonik des Gebäudes. Durch die formale Betonung der Gliederung ist die Außenwand gleichermaßen Bestandteil von Konstruktion und Bekleidung. Rhythmisch gesetzte, bodenhohe Fenster fügen sich in das Rastermaß ein. Eine vorgefertigte Betonaufkantung unterstützte die verdeckte Ausbildung von Sockel und Attika. Entsprechend sind auch die äußeren Betonschalen für das obere und untere Geschoss werkseitig länger als die jeweils innere Wandschale, so dass sie Attika und Sockel am Hochparterre in einem Guss bekleiden. Als weiteres Detail wurden auch die äußeren Fensterlaibungen bis auf die untere Fensterbank bereits in den Fertigteilen integriert. Deren genauen Maße waren präzise vorgegeben, so ergaben sich beim Aufbau geringe Rohbautoleranzen. Insgesamt ist die Größe solcher vorgefertigten Betonelemente nur durch ihren Transport begrenzt. Die meisten der weit auskragenden Balkone weisen nach Süden und erweitern den Wohnraum um 2,50 m großzügig ins Freie. Ihre massiven Bodenplatten sind, thermisch getrennt, mit Isokörben an der Ortbetondecke einbetoniert. Weißes, gelochtes Wellblech dient als schlanke Brüstung, von innen ist sie transparent. Von außen wirkt sie geschlossen und bietet ausreichend Privatsphäre. Durchdachte Planung und Konstruktion Vor Ort wurden die vorgefertigten, doppelschaligen Wandscheiben mittels Schrägstützen geschossweise aufgestellt, mit Kernbeton ausgegossen und durch die Anschlussbewehrung der Deckenkonstruktion mit dieser statisch verbunden. Die massiven Wohnungstrennwände und Decken entstanden dagegen komplett aus konventionell mit Kran und Kübel in die Schalung eingebrachtem Transportbeton. Weitere Innenwände wurden, um in den Wohneinheiten mit variablen Grundrissen auf spätere Nutzungsänderungen reagieren zu können, als Trockenbau ausgeführt. Der Keller des direkt am Neckar stehenden Gebäudes erhielt eine wasserundurchlässige weiße Wanne. Alle Elektroinstallationen konnten vorab eingebaut werden. Dafür waren im Fertigteilwerk bereits Leerrohre eingelegt und Dosen in die Schalung gesetzt worden. Heizungs- und Sanitärinstallationen verlaufen nicht in den Fertigteilwänden. In wenigen Ausnahmen sah man dafür Schlitze und Aussparungen vor, die nachträglich bauseits geschlossen wurden. Aufgrund der sehr hohen Schallschutzanforderungen waren spezielle Leibungslüfter erforderlich. Die dafür nötigen Aussparungen waren ebenfalls bereits werksseitig